Mariä Verkündigungskirche Bardo, Polen
Erbauer:
Baujahr:
Restaurierung:
Spieltraktur:
Registertraktur:
Ladensystem:
I. HAUPTWERK C – f 3
1. | Principal | 16′ |
2. | Bordun | 16′ |
3. | Principal | 8′ |
4. | Hohlflöte | 8′ |
5. | Doppelflöte | 8′ |
6. | Gambe | 8′ |
7. | Gemshorn | 8′ |
8. | Spitzquinte | 5⅓′ |
9. | Octave | 4′ |
10. | Doppelrohrflöte | 4′ |
11. | Gemshorn | 4′ |
12. | Quinte | 2⅔′ |
13. | Octave | 2′ |
14. | Mixtur | IV |
15. | Cornett | III-IV |
16. | Trompete | 8′ |
II. MITTELWERK C – f 3
17. | Quintatön | 16′ |
18. | Principal | 8′ |
19. | Portunalflöte | 8′ |
20. | Flaute | 8′ |
21. | Gemshorn | 8′ |
22. | Salicet | 8′ |
23. | Octave | 4′ |
24. | Portunalflöte | 4′ |
25. | Quinte | 2⅔′ |
26. | Octave | 2′ |
27. | Mixtur | V |
28. | Clarinette | 8′ |
III. OBERWERK C – f 3
29. | Liebl. Gedackt | 16′ |
30. | Prinzipal | 8′ |
31. | Salicional | 8′ |
32. | Flaut amabile | 8′ |
33. | Octave | 4′ |
34. | Flaute | 4′ |
35. | Spizquinte | 2⅔′ |
36. | Octave | |
37. | Mixtura | III |
38. | Oboe | 8′ |
PEDAL C – d1
39. | Subbass | 32′ |
40. | Principal | 16′ |
41. | Violon | 16′ |
42. | Gambenbass | 16′ |
43. | Subbass | 16′ |
44. | Quintbass | 10⅔′ |
45. | Octavbass | 8′ |
46. | Flötbass | 8′ |
47. | Cello | 8′ |
48. | Octavbass | 4′ |
49. | Posaune | 16′ |
50. | Trompete | 8′ |
KOPPELN UND SPIELHILFEN
Sperrventil Hauptwerk, Mittelwerk, Oberwerk, Pedal, Groß Pedal
Windablass, Calcantenglocke
WS 80 mm, Tonhöhe 439 Hz bei 18°C
Die Restaurierung der Eberhard / Schlag-Orgel in Bardo
Die Orgel in der Kirche zu Bardo besticht auf den ersten Blick durch ein Gehäuse von beeindruckender Schönheit. Es ist bestückt mit einem himmlischen Orchester. Die aus Holz geschnitzten Musiker tragen täuschend echte Nachbildungen von Orchesterinstrumente in den Händen. Selbst aus der Nähe betrachtet kommen Zweifel auf, ob es sich nicht doch um echte Instrumente handelt. Die Detailtreue ist enorm. Angefangen von der Handhaltung der Musiker, der Ausarbeitung ihrer Fingerglieder, bis hin zu den Darmsaiten der Harfe – alles scheint nur darauf zu warten zum Leben erweckt zu werden. Die Instrumente sind bereit, mit ihrem Klang den Raum zu erfüllen. So der Anschein von außen. Zwar ist das Orchester immer noch stumm, zumindest jedoch die Orgel im Innern des Gehäuses ist nun im Rahmen einer über zweieinhalb Jahre andauernden Restaurierung wieder zum Klingen gebracht worden.
Das Instrument stellt ein Denkmal von kultur- und regionalgeschichtlich herausragender Bedeutung dar. Das opulent angelegte Gehäuse zählt zu den herausragendsten Leistungen des barocken Orgelbaus in Schlesien. Es beinhaltet einen Instrumentenschatz, der sowohl einen großen Teil der ursprünglichen Klangsubstanz aus dem 18.Jh. in sich birgt, als auch in seiner Gesamtheit eine in sich geschlossene handwerklich herausragende Leistung der zweiten Hälfte des 19. Jh. darstellt.
Das Instrument blickt auf eine bewegte Geschichte zurück. Der Vertrag zu ihrem Bau wurde am 11. September 1755 mit dem Breslauer Orgelbauer Frantz Joseph Eberhardt abgeschlossen. Die Fertigstellung erfolgte vier Jahre später – 1759. Die Kosten der 50 Register und drei Manuale umfassenden Orgel waren auf 3000 Thaler veranschlagt.
Dieses hochbarocke Instrument hatte jedoch lediglich 116 Jahre Bestand. Im Jahre 1875 wurde es in seinem Innern entkernt und durch einen vollkommenen Neubau ersetzt. Dieser wurde von der renommierten Schweidnitzer Firma „Heinrich Schlag vormals Gebrüder Schlag“ ausgeführt. Lediglich einige Teile des Pfeifenwerkes sowie die 6 Keilbälge wurden in leicht modifizierter Form beim Bau der neuen Orgel wieder verwendet.
Der technische Aufbau der Orgel wurde seinerzeit neu und nach vorherrschenden zeitgenössischen Standards gebaut. Selbst eine Barkermaschine zum Zwecke der Erleichter-ung der Spielart des ersten Manuals wurde mit eingebaut. Im Jahre 1938 führte die Orgel-baufirma Sauer aus Frankfurt/Oder eine umfangreiche Überholung durch.
Auf Grund der hohen Bedeutung die dem Instrument innerhalb der Orgellandschaft Schlesiens zukommt erfolgte 1984 eine umfassende Bestandserfassung und Dokumentation.
Dabei wurden einige Register modifiziert. In den folgenden Jahrzehnten gab es nur geringfügige Instandhaltungsarbeiten an der Orgel.
Dementsprechend mangelhaft war der Zustand der Orgel zu Beginn der dringend notwendigen Restaurierungsarbeiten im September 2010. Das erste Manual war seit etlichen Jahren unspielbar. Die Barkermaschine hatte ihren Dienst schon seit langer Zeit aufgegeben. Die Keilbälge wiesen gerissenes und mehrfach notdürftig geflicktes Leder auf. Die beiden anderen Manuale waren nur noch eingeschränkt spielbar. Ein Teil des Pfeifenwerkes wies derart starke Deformationen auf, dass der Klang entweder vollständig verstummt war oder sich nur noch eingeschränkt entfaltete. Ein kleinerer Teil des Pfeifenwerkes war ausgebaut worden und lag zu kleinen Häuflein aufgeschichtet in der Orgel. Die Dicke der Schmutzschicht im Innern der Orgel war enorm. Sie schien die Mutmaßung zu bestätigen, dass diese sich über 70 Jahren hinweg ungestört hatte aufbauen können.
Das Restaurierungskonzept sah vor, die Orgel in ihrem gewachsenen Bestand zu erhalten. Eine Rückführung auf den ursprünglichen Bestand von Eberhard wurde auf Grund der bei weitem überwiegenden Anteile Schlags nicht weiter erwogen.
Die Restaurierungsarbeiten erstreckten sich über einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren. Ausgeführt wurden sie zwischen September 2010 und April 2013. Insgesamt wurden mehr als 8700 Arbeitsstunden aufgewendet. Ein Großteil der Arbeiten wurde dabei in der Kirche ausgeführt. Lediglich das Metallpfeifenwerk, mit Ausnahme der Prospektpfeifen, die Barkermaschine, die Klaviaturen und vier der insgesamt neun Windladen wurden in die Werkstatt nach Dresden zu deren restauratorischer Überarbeitung überführt.
Keilbälge
Nach dem Ausbau des Pfeifenwerkes wurde mit der restauratorischen Überarbeitung der Keilbälge begonnen. Diese wiesen mit ihren Abmessungen von 3260 mm x 1780 mm eine Größe auf, die es nicht zuließ, sie aus der Orgel auszubauen. Sie waren zudem höchst passgenau zwischen der Gebäuderückwand und den Windladen eingebaut, so dass die dringend notwendige Erneuerung der Belederung nicht im eingebauten Zustand erfolgen konnte. Jeweils zu dritt übereinander angeordnet bilden sie in ihren Bälgegerüsten Türme in Höhe von mehreren Metern. Der Bereich für die Bälgetreter, mit den Enden der Clavesbalken und der Trittstufenanlage, befindet sich zwischen diesen beiden Türmen in der Mitte der Orgel. Über den Bälgen angeordnet befinden sich die Windladen des Großpedals und des dritten Manuals.
Um die Bälge bearbeiten zu können mussten zuerst die sich darüber befindenden Windladen ausgebaut werden. Die Windladen konnten wiederum erst nach dem Ausbau einzelner Prospektpfeifenfelder auf die Emporen abgelassen werden.
Um die untersten Bälge restauratorisch überarbeiten zu können, wurden die jeweils zwei darüber angeordneten Bälge mittels eines Aufzuges ausgehoben und auf Höhe der Windladen innerhalb der Orgel abgelagert. Anschließend wurde der unterste der Bälge auf das gleiche Niveau angehoben. Während dieser schwebend aufgehängt war, wurde eine provisorische Arbeitsebene eingezogen. Darauf wurden die Arbeiten ausgeführt.
Die vorgefundene Belederung der Bälge wurde nun vollständig entfernt und erneuert. Lediglich im Bereich der Faltenscharniere konnten originale Lederstreifen erhalten werden. Nach der Überarbeitung des ersten Balges wurde dieser angehoben, die Arbeitsebene entfernt und der Balg millimetergenau wieder auf seine Ausgangsposition abgelassen. Auf diese Weise wurden nach und nach alle Bälge restauriert. In der Summe wurden dabei 55 Felle Leder, annähernd 420 Meter Lederstreifen sowie 40 Meter Darmsaiten innerhalb von mehr als 500 Arbeitsstunden verarbeitet.
Windladen
Obwohl die 9 Windladen in handwerklich sehr solider Bauweise gefertigt sind, befanden sich diese in teilweise sehr schlechtem Zustand. Dabei wiesen die beiden Windladen des I. Manuals die stärksten Schäden auf. Neben zugekitteten Austrittsöffnungen von Holzwürmern waren in der Vergangenheit etliche Kanzellenrisse überpapiert oder überledert worden. Fast alle Kanzellen waren davon betroffen. Sämtliche Reparaturen wiesen einen provisorischen Charakter auf. Auf der einen Seite waren sie sichtbare Zeugnisse sich in der Vergangenheit kontinuierlich verschärfender Instandhaltungsprobleme Auf der anderen Seite waren sie Ausdruck von Bemühungen, die Funktionalität der Orgel trotz eingeschränkt zur Verfügung stehender Mittel aufrecht erhalten zu wollen.
In den am stärksten von Holzwurmfraß betroffenen Teilbereichen mussten stark geschädigte Holzpartien gegen neues Holz ausgetauscht werden. Risse in den Kanzellen wurden ausgespänt. Um die Kanzellen überhaupt dicht zu bekommen, mussten bei einem Teil der Windladen diese mit Warmleim ausgegossen werden. Teilweise war dies sogar mehrfach notwendig. Als vorbeugende Maßnahme gegen neuerliche Rissbildung wurden Teilbereiche der Windladenunterseiten flächig mit Pergament überleimt. Dieses weist nahezu reißfeste Eigenschaften auf. Durch diese Eigenschaft gilt es als ideales Material um neuerliche Spannungen im Holz auffangen zu können
Die Ventile sind als „Huckepack“-Ventile gebaut. Auf die sehr groß dimensionierten Ventile sind zur Verringerung des Druckpunktes beim Anschlagen der Tasten kleinere Vorabzug-Ventile aufgesetzt.
Ein interessantes Detail stellen die Fundamentböden der Oberseiten der Windladen dar. Die Fundamentböden bestehen nicht aus einer flächig zusammen geleimten Platte. Sie bestehen aus einzelnen, relativ breiten Brettern. Diese sind im Bereich ihrer Stoßfugen auf 45° abgeschrägt. Im Bereich der Stöße entsteht so eine V-förmige Nut. Diese ist überledert und erlaubt in gewissem Umfang ein Arbeiten des Holzes, ohne dass es in diesem Bereich zu einer Rissbildung kommt. Auf den Unterseiten sind die Kanzellen gespundet.
Die Schleifenbahnen sind beledert. Auf Grund des vorgefundenen und als bedenklich eingestuften Zustandes der Windladen wurden zu Gunsten einer erhöhten Funktionssicherheit auf den Unterseiten der Pfeifenstöcke Drappstoffringe angebracht.
Pfeifenwerk
Die Orgel verfügt über 3119 Pfeifen. 192 Pfeifen stehen im Prospekt. 119 davon sind stumm, so dass 3000 klingende Pfeifen vorhanden sind. Davon sind 716 als Holzpfeifen und 162 als Pfeifen mit „durchschlagenden Zungen“ gebaut.
Knapp die Hälfte der vorhandenen Pfeifen stammt noch aus der Orgel von Eberhard aus dem Jahre 1759. Da die Orgel ursprünglich im höheren „Chorton“ stand und keine Cis Pfeifen aufwies, setzte Schlag 1875 zur Erniedrigung der Stimmtonhöhe vor jedes wieder verwendete Register zwei zusätzlich Pfeifen für C und Cis. Die von Eberhard für die Innenpfeifen verwendete Legierung weist Bleianteile in Höhe von 80 %-91 % auf.
In die Restaurierung des Pfeifenwerkes floss ein hoher Aufwand. Das gesamte Metallpfeifenwerk, mit Ausnahme der Prospektpfeifen, wurde zu dessen Überarbeitung nach Dresden transportiert. Dort wurde es gereinigt und sortiert. Etliche Pfeifen waren in der Vergangenheit von ihren ursprünglichen Standorten innerhalb der Orgel an andere Standorte versetzt worden, so dass insgesamt ein großer Wirrwarr vorherrschte. Ähnlich wie bei einem Puzzlespiel wurde über Tage hinweg versucht die originalen Standorte der Pfeifen wieder ausfindig zu machen. Neben Fertigungsmerkmalen und sichtbaren Legierungsunterschieden spielten dabei die Signaturen der Pfeifen eine wichtige Rolle. Insbesondere die ältesten der Pfeifen waren in der Vergangenheit teilweise mehrfach „umsigniert“ worden, so dass es galt unter Zuhilfenahme einer Lupe herauszufinden welche der Signaturen die letztendlich gültig war.
Die Prospektpfeifen wurden in der Kirche einer restauratorischen Überarbeitung unterzogen. Auf einer der Seitenemporen wurde eine Pfeifenmacherwerkstatt eingerichtet. Über einen eigens für diesen Zweck verlegten, druckfesten und mehr als 50 m langen Schlauch wurde ein provisorischer Wasseranschluss aus dem Klosteranbau bis in unmittelbarer Nähe der Orgel installiert. Eine große Wanne zum Waschen der Pfeifen wurde aufgestellt. Die Prospektpfeifen wurden einzeln aus ihren Halterungen entnommen. Bis zu sieben Personen waren notwendig um die größten Pfeifen sicher aus- und wieder einbauen zu können.
Jede Pfeife wurde gewaschen. Im Bedarfsfall wurden Beulen beseitigt oder eingesackte Fußspitzen durch Überwurfkappen verstärkt. Anschließend wurden die Pfeifen wieder eingesetzt.
Die Holzpfeifen wurden ebenso in der Kirche restauratorisch überarbeitet. Abgelagert auf den beiden Seitenemporen konnten diese so von den größten bis hin zu den kleinsten Pfeifen alle einer eingehenden Prüfung unterzogen werden. Einige Pfeifenfüße wiesen starke, durch Holzwurmfraß hervorgerufene Schäden auf. Sie waren teilweise so stark beschädigt, dass diese erneuert werden mussten.
Einzelne Holzpfeifen fehlten. Im Register „Lieblich Gedackt 16’“ waren in der jüngeren Vergangenheit fehlende Pfeifen bereits rekonstruiert worden. Dies war jedoch weder maßhaltig noch stilistisch passend zu den Originalvorlagen geschehen. Eine neuerliche Rekonstruktion erschien von daher angebracht. In der Summe wurden 27 Holzpfeifen rekonstruiert.
Von den 162 Zungenpfeifen fehlten 4 Stück. Diese, sowie fehlende Einzelteile an drei weiteren Zungenpfeifen, wurden rekonstruiert. Von den Zungenregister Eberhards ist bedauerlicherweise nichts erhalten geblieben. Schlag baute seine Zungenregister mit durchschlagenden Zungen. Eine Stahlzunge schwingt dabei frei durch einen den Abmessungen der Zungen entsprechenden Schlitz in einer Messingplatte. Die Becher sind dabei aus Messingblech gefertigt. Sie verfügen an ihren Mündungsöffnungen über formschön gebörtelte Ringe. Lediglich das Register Posaune 16’ verfügt über Becher aus Nadelholz.
Eingestimmt wurde das Pfeifenwerk in vorgefundener Tonhöhe von 436 Hz bei 18°C und 75 mm WS.
Dankenswerter Weise waren Winddruckhöhen durch Bleistiftinschriften am Hauptkanal überliefert. Für jeden der sechs Bälge waren dort Einzelangaben in einer Schwankungsbreite von 75-80 mm WS angegeben. So wurde nach abgleichenden Versuchen mit den Erfordernissen des Pfeifenwerkes die Winddruckhöhe auf einen Wert von 75 mm festgelegt.
Tontraktur
Die Tontraktur ist durchgängig mechanisch angelegt. Sämtliche Wellenbretter, Abstrakten, Winkel und Regulierstellen wurden einer restauratorischen Überarbeitung unterzogen. Die Klaviaturen wurden ausgebaut. Die Klaviatur des I. Manuals wies nicht mehr die originalen Tastenbeläge auf. Diese bestanden ursprünglich, wie an den beiden anderen Klaviaturen immer noch ablesbar, aus Elfenbein. Die vorgefundenen Kunststoffbeläge der Tasten des I. Manuals wurden entfernt und durch Beläge aus Elfenbein ersetzt.
Diejenigen Teile der Tontraktur, die sich unter den Windladen des Mittelwerkes befinden, sind bei eingebauten Windladen so gut wie nicht zugänglich. Ein Einhängen der Tontraktur ist nur durch akrobatische Verrenkungen sowie unter Einsatz der Fähigkeit auch blind tastend sich mit einem Arm orientieren zu können, möglich.
Die Pedaltraktur weist zwischen Taste und Ventil im Kleinpedal eine Länge von bis zu 12 m auf. Im Maximalfall sind bei gekoppeltem Hauptwerk 5 Tonventile pro Taste gleichzeitig zu drücken. Bei einem Tastengang von 11 mm lässt sich vermutlich unschwer nachvollziehen, dass es auf Grund der zahlreichen Umlenkungen und Massen der Tontrakturelemente nicht einfach ist alle Ventile zeitgleich, leichtgängig und dauerhaft verlässlich in Übereinstimmung zueinander zu bringen. Um dies gewährleisten zu können wurden stellenweise „reversible“ Maßnahmen zur Optimierung der Traktur vorgenommen. Waagrecht verlaufenden Abstrakten wurden an Fadenpendeln aufgehängt. Senkrecht verlaufenden Abstrakten ohne Führungsrechen erhielten Führungen aus Messingstiften. An anderer Stelle wurden überzählige Führungsrechen ausgebaut und eingelagert.
Die Registertrakur ist ebenso rein mechanisch angelegt. Zu den weiter entfernt liegenden Teilwerken wird sie über mehrfache Umlenkungen, Winkel und Schwerter geführt. Hinter dem Gewirr von Zug- und Schubstangen steht eine beeindruckende planerische Leistung. Bei dieser wurden sicherlich große Anteile improvisierend beim Zusammenbau der Orgel vor Ort gelöst.
Ein wichtiger Bestandteil der Tontraktur des I. Manuals stellt die Barkermaschine dar. Sie ist eine von lediglich drei bekannten Barkermaschinen aus den Schlagschen Werkstätten. Im Gegensatz zu den ansonsten existierenden Barkermaschinen sind die Bälgchen nicht auf mehreren Etagen hinter dem Spieltisch in einem Turm übereinander angeordnet. Im Falle der Bardoer Orgel sind sie waagrecht nebeneinander, nach C- und Cis-Seite getrennt unter den Windladen des Hauptwerkes stehend. Vom Spieltisch aus führt eine schräg verlaufende Traktur auf ein Wellenbrett unterhalb der Barkermaschine von wo aus diese angesteuert wird. Die Barkermaschine war auf Grund ihres Schadenbildes nicht mehr funktionsfähig. Bälgchen und Ventile wurden neu beledert. In ihrer Funktion erfüllt sie keine „Wunderwerke“ – ohne sie wäre die Spielart der Tontraktur jedoch wesentlich schwerer. So wird deren „Wiederbelebung“ dankbar zur Kenntnis genommen.
Über den Ausführungszeitraum verteilt arbeiteten rund 25 Menschen an der Wiederbelebung der Orgel. Neben vielen Förderern, die es ermöglichten die notwendigen finanziellen Ressourcen bereit zu stellen, ist es insbesondere ihrem tatkräftigen Einsatz in praktischer Arbeit zu verdanken, dass eine der schönsten Orgel Schlesiens nun wieder erklingt.
Andreas Hahn