Ev. Kirche Neugersdorf
Erbauer:
Baujahr:
Restaurierung:
Spieltraktur:
Registertraktur:
Ladensystem:
I. HAUPTWERK C – f 3
1. | Principal | 16′ |
2. | Bordun | 16′ |
3. | Groß-Octave | 8′ |
4. | Gemshorn | 8′ |
5. | Gambe | 8′ |
6. | Rohrflöte | 8′ |
7. | Octave | 4′ |
8. | Terzian | 4′ |
9. | Quinte | 2⅔′ |
10. | Octave | 2′ |
11. | Mixtur 4f. | 2′ |
12. | Cornett 3-4f. | |
13. | Trompete | 8′ |
II. OBERWERK C – f 3
14. | Gedackt | 16′ |
15. | Pincipal | 8′ |
16. | Principalflöte | 8′ |
17. | Gedackt | 8′ |
18. | Quintatön | 8′ |
19. | Salicional | 8′ |
20. | Octave | 4′ |
21. | Rohrflöte | 4′ |
22. | Nassat | 2⅔′ |
23. | Octave | 2′ |
24. | Mixtur 3f. | 1⅓′ |
25. | Oboe | 8′ |
PEDAL C – d 1
26. | Principalbaß | 16′ |
27. | Subbaß | 16′ |
28. | Violonbaß | 16′ |
29. | Octavbaß | 8′ |
30. | Gedacktbaß | 8′ |
31. | Octavbaß | 4′ |
32. | Posaunenbaß | 16′ |
33. | Tompetenbaß | 8′ |
KOPPELN UND SPIELHILFEN
ManualkoppelPedalkoppel
Sperrventil zum Hauptwerk
Sperrventil zum Oberwerk
Fußtritte Crescendo & Decrescendo
Auszug aus der Festschrift zur Orgelwiedereinweihung am 30.09.2018 von Ralf Jehmlich
„ERBAUT AUS DEM LEGATE DES HERRN“, so steht es noch heute in großen goldenen Lettern über dem Spieltisch der Orgel in Neugersdorf.
Erbaut wurde das Instrument im Jahre 1883 durch Carl Eduard Jehmlich, der in 2. Generation unsere Orgelbauwerkstatt leitete. Die Orgel trägt die Opus Nummer 73 und war ursprünglich mit 32 Registern ausgestattet, die über 2 Manuale und Pedal auf Schleifwindladen mit einer rein mechanischen Ton- und Registertraktur gespielt werden.
Das prachtvolle Gehäuse wurde nach dem Entwurf des Architekten Weiser vom Holzbildhauer Reichel und dem Tischlermeister Hennig in Chemnitz gefertigt.
Die Abnahme der Orgel erfolgte am 7. und 10. November 1883 durch den Musikdirektor Gustav Adolph Abrecht, Organist an der Johanniskirche zu Zittau. In seinem Abnahmebericht heißt es: „Der Charakter der einzelnen Stimmen ist sehr wohl getroffen und wahrhaft schön zu nennen; jede Stimme spricht in erwünschter Weise aus, was sie nach dem Willen Herrn Jehmlich sagen soll. Die Stimmen erklingen mehr sanft und weich, wollen nicht etwa durch Glanz und Schärfe des Klanges sich hervortun und prahlen, dieser sanfte edle Klang aber ist das Echte und Wahre, das, was beim Gesamterklingen dem Werke erst die wahre Kraft, Fülle und Weihe gibt. Um das so, wie ich es meine, zu fühlen, lasse man sich die Register mehrere Minuten lang einzeln, langsam vorspielen, und höre den Klang in Ruhe an.“
Zusammenfassend kommt Gustav Adolf Albrecht zu dem Urteil, “daß die Herren Jehmlich, Vater und Söhne… bei Anwendung guten Materials durchweg äußerst gewissenhaft gearbeitet, und ein in jeder Hinsicht wohlgelungenes Orgelwerk, eins der besten in unserer Oberlausitz in der Kirche zu Altgersdorf aufgestellt haben.“
Nach ihrer Erbauung weist die Orgel eine bewegte Geschichte von Veränderungen auf. Unter anderem wurden Register auf pneumatischen Zusatzwindladen ergänzt, Register ausgewechselt und umpositioniert, sowie die Windanlage mit einem elektrischen Schleudergebläse und Doppelfaltenmagazinbalg umgebaut. Von der originalen Kastenbalganlage sind jedoch noch 4 der ursprünglich 5 Kastenbälge erhalten. 1917 mussten die Prospektpfeifen aus Zinn für die Kriegswirtschaft abgegeben und später durch Zinkpfeifen ersetzt werden. 1947 erfolgte ein größerer Um- und Erweiterungsbau durch Georg Schuster (Zittau), bei dem neben Änderungen im Registerbestand, auch ein zusätzliches Schwellergehäuse im Oberwerk eingebaut und die Crescendo-Decrescendo-Funktion stillgelegt wurde. Die Veränderungen hatten jeweils zum Ziel, das Instrument an den vorherrschen Zeitgeschmack anzupassen. Insbesondere die im 20.Jh. ausgeführten Arbeiten haben zu einer starken Aufweichung des ursprünglichen künstlerischen Konzeptes Carl Eduard Jehmlichs geführt.
Der trotz der Veränderungen außergewöhnlich hohe Erhaltungsgrad an originaler Substanz, die klare Konzeption der Orgelanlage und die hervorragende handwerkliche Verarbeitung aller Orgelteile, machen das Instrument zu einem wertvollen Denkmal des Sächsischen Orgelbaus des ausgehenden 19. Jahrhunderts.
Heute, nach 135 Jahren und einer umfassenden Restaurierung der Orgel mit einer Wiederannäherung an den ursprünglichen Zustand, wird das Instrument für den Gottesdienstgebrauch wieder eingeweiht. Wir freuen uns sehr, dass wir diese Arbeiten in nunmehr 5. und 6. Firmengeneration für die Kirchengemeinde in Neugersdorf ausführen konnten.
In Zusammenarbeit mit dem Orgelsachverständigen und Kantor Amadeus Egermann, wurde über viele Monate intensiv zu den Details der Maßnahmen beraten und abgewogen, in wie weit ehemalige Dispositionsänderungen beigehalten oder auf das Original zurückgeführt werden sollen.
Im September 2017 konnten wir mit den Arbeiten zur Restaurierung der Orgel unter der Leitung unseres Restaurators Andreas Hahn beginnen.
Das Pfeifenwerk und das nicht originale Schwellergehäuse wurden ausgebaut und die Orgel für die bauseitigen Sanierungsarbeiten an den Wänden der Orgel-Nische gesichert.
Alle originalen und zur Wiederverwendung kommenden Pfeifen wurden restauriert und fehlende Pfeifen nach historischen Mensur- und Bauartdetails rekonstruiert. Die nachträglich eingebauten pneumatischen Zusatzwindladen wurden entfernt. Umgesetztes Pfeifenwerk wurde zurücksortiert und wieder auf den ursprünglichen Standort positioniert. Die ursprüngliche Baß- und Diskantteilung des Registers Cornett 3-4fach wurde wieder reaktiviert. Neben der klanglichen Teilrückführung der Orgel, ergibt sich jetzt auch optisch ein aufgefrischtes Bild mit den 63 neu bronzierten Prospektpfeifen.
Am Spieltisch wurden die beiden Manualklaviaturen und die Pedalklaviatur restauriert, überzählige Registerzüge entfernt, die originalen Manubrien restauriert und fehlende Porzellanschilder rekonstruiert. Fehlstellen im Spieltisch wurden schreinertechnisch zugesetzt, die Oberflächen aufgefrischt, fehlende Messingbeschläge ergänzt, sowie eine neue Notenpultleuchte und Leisten mit einer Registernummerierung eingebaut.
In der Ton- und Registertraktur wurden die Achslagerungen überarbeitet, nicht originale und fehlende Mechanikteile ersetzt, sowie die Sperrventile wieder in Funktion gebracht.
Die umfassende Restaurierung der 6 Schleifwindladen erfolgte im eingebauten Zustand. Risse wurden ausgespänt, abgedichtet und partiell neu papiert, die Schleifen und Dichtungen kontrolliert, sowie die nicht originalen Pulpetendrähte rekonstruiert.
Eine absolut einmalige Erfindung Carl Eduards und Besonderheit der Orgel in Neugersdorf, die Crescendo- und Decrescendo-Funktion für die Hauptwerkregister, konnte nach aufwändigen Recherchen und Modellversuchen rekonstruiert werden. Als Fragmente dieser Funktion waren noch die Registerwelle mit Schlitzen für einsteckbare Eisenschwerter, ein Achslager, zwei große Rückholfedern, die Schlitze der Schwerteingriffe in der Registertraktur, die oberen Partien der Tritt-Schlitze im Fußbrett des Spieltisches und Nagelspuren der Achslager auf den Dielenbrettern in der Orgel vorhanden.
Nachdem alle fehlenden Teile rekonstruiert, die fehlenden Eisenschwerter nachgeschmiedet und die Crescendo- und Decrescendo-Funktion wieder eingerichtet werden konnte, entdeckten wir versteckt unter der Pedalwindlade ein original erhaltenes Eisenschwert. Sehr glücklich waren wir, als wir feststellen konnten, dass das Original und unsere rekonstruierten Schwerter in den Maßen annähernd identisch waren.
Der Doppelfaltenmagazinbalg wurde überarbeitet, die Kanalanlage abgedichtet und ein neuer elektrischer Winderzeuger eingebaut.
Nach Abschluss der technischen Restaurierungsarbeiten am Instrument, wurden die Pfeifen registerweise wieder eingebaut, das historische Pfeifenwerk grundlegend von Intonateur Matthias Ullmann nachintoniert und gestimmt, sowie das rekonstruierte Pfeifenwerk harmonisch in das klangliche Gesamtkonzept der Orgel eingepasst.
Die Orgelrestaurierung in der Kirche zu Neugersdorf war für uns eine sehr verantwortungsvolle und interessante Aufgabe, die wir mit viel Freude ausgeführt haben – 12 Mitarbeiter unserer Orgelbauwerkstatt waren von der Planung bis zur Fertigstellung des Instrumentes beteiligt.
Dankbar und ehrfürchtig schauen wir zur Wiedereinweihung der Orgel auf die Zeilen am Gehäuse über den 3 großen Prospektpfeifenfeldern:
„EHRE SEI GOTT IN DER HÖHE – FRIEDE AUF ERDEN – DEN MENSCHEN EIN WOHLGEFALLEN“
Mit diesen Worten aus Lukas 2:14, wünschen wir der Gemeinde und den Besuchern der Kirche, dass die Orgel in Neugersdorf sie immer in friedlichen Zeiten begleitet, viel Freude, Kraft und Trost spendet und stets zur Ehre Gottes erklingen möge.